Patricia from Switzerland
Ferien 2020
Das
Jahr 2020 hat es in sich. Einerseits die weltweite Corona-Pandemie,
andererseits intensive Projektarbeiten in der Firma, und dann auch noch
unerklärliche Missstimmungen im Freundeskreis. Kein Wunder fallen die
Ferien dieses Jahr etwas speziell aus, denn Grenzübertritte sind punkto
Auflagen und drohenden Quarantänen heikel. Zudem sind meine
favorisierten Reisepartner dieses Jahr eh irgendwie undisponibel, indem
ich für den einen aus unlogischen Gründen wiederholt gestorben sei und
der andere mir das Gefühl des gelduldet-aber-nicht-erwünscht-seins
vermittelt. Tja. Und dann ist da noch der Arbeitgeber mit
wöchentlichen, geschäftlichen Konferenzen, zu denen es heisst, ich
müsse bei Abwesenheiten eine Stellvertretung schicken - nur habe ich
keine.
Aber
siehe da, im September ergab sich spontan eine sitzungsfreie Woche,
also die(!) Gelegenheit, mal eine ganze Woche lang nicht den Laptop zu
bedienen, keine Anrufe zu beantworten, einfach mal Zeit für mich zu
haben, und - erstaunlicherweise ohne krank zu werden! Diese Zeit musste
ich nutzen, denn in Anbetracht der noch kommenden Veränderungen am
Arbeitsplatz ist die nächste Ferienwoche aktuell erst wieder im 4ten
Quartal 2021 in Aussicht. Darum gilt es jetzt diese Woche zu geniessen. Los gehts...
Heute noch ein bewusst
gemütlicher Tag zum Ideen sammeln, Pläne schmieden und einfach die Zeit
in der Stadt vertrödeln und geniessen. Lange war es her, seit ich das
letzte Mal im Migros-Restaurant
zum Zmorge einkehrte. Und jenes Lokal beim Opernhaus hat nur werktags
geöffnet, also endlich mal eine Gelegenheit um für Tee und Konfibrötli
einzukehren. Bei aller Liebe zur Migros: Den Kaffi gönnte ich mir dann aber am bewährten Bellevue,
plus nachher einen kleinen Spaziergang im Fluntern-Quartier, um dort die Wienerli zu kaufen, die mein Scheffkoch daheim
dann liebevoll zubereitet hatte.
Heute ging's auf grosse
Fahrt: Bereits im Sommer wollte ich diese Rundfahrt machen, heute
passten Stimmung und Wetter perfekt dafür. Also auf zur Coop-Tankstelle
ums Eck, und dann auf der N3 ins Bündnerland. Je weiter von Zürich
entfernt, umso weniger Verkehr hatte es auf der Strasse. So musste ich
sogar etwas aufpassen, auf der schwach frequentierten Autobahn nicht zu
sehr auf's Gas zu drücken. Die Freude am Fahren wurde nach Reichenau,
wo sich die Strasse Richtung Thusis und Disentis gabelt, aber abrupt
getrübt: Prompt musste in der Steilstrecke nach Trin ein Bauer mit
seinem Traktor genau vor mich einspuren und hötterlte gemütlich den
Berg hinauf. Ein Überholen war mir wegen der unberechenbaren Töfffahrer
zu riskant. Und ich hatte es ja auch nicht wirklich eilig. In Trun war
ein Zwischenhalt angesagt, um a) im örtlichen Volg
Proviant zu besorgen und um b) die (leider arg ausgebleichte) blaue
"Latg"-Tafel abzulichten, welche auf rätoromanisch darauf hinweist,
dass hier in der Käserei frische Milch beziehbar wäre. Die rustikal bemalte Cascharia hatte nur heute leider geschlossen. Unten am Bahnhof
gab's noch einen Schnappschuss eines Regionalzuges der RhB und schon
ging es weiter hinauf zum Oberalppass
(2'046 M.ü.M.), welcher die Kantonsgrenze zum Urnerland bildet und zum obligaten
Passhöhen-Föteli einlud. Dann folgte ich der Strasse bergab nach Andermatt,
Göschenen und Altdorf sowie wieder wieder hoch hinauf zum Klausenpass
(1'952 M.ü.M.). Auf der Westseite dieses Passes wird man von Lamas beäugt,
auf der Ostseite des Passes spazieren dann - mangels Zäunen - in aller Selbstverständlichkeit Kühe auf der
Strasse. Ungewohnt. Aber herzig.
Unerwartet früh zurück in Zürich gönnte ich mich ein Käffeli im Belcafé und liess mich dann spontan auf eine Laufbahnberatung im Checkpoint beim Hautbahnhof ein. Ich versuchte es einfach mal ganz ohne Voranmeldung und sass prompt in Anskar's
Beratungszimmer. Ihn kenne ich schon länger von den einschlägigen
Stammtisch-Treffen und den Transtagungen der vergangenen Jahre.
Und da wir uns ja schon kannten, war er natürlich nicht ganz
unvoreingenommen. Eigentlich hatte ich gehofft etwas abweichenderes zu
hören, doch mir
wurde bestätigt, dass ich in meinem Metier gut aufgehoben sei, ich aber
auch etwas in Richtung (Lebens-)Beratungen machen könnte. Aha? Und
Anskar
war offensichtlich beeindruckt von meinem ausgedruckten Lebenslauf, den
ich für
allfällige Bewerbungen unlängst aktuallisiert hatte. Mit diesem sollte
eine Stellensuche kein Problem werden, meinte er. Wir werden sehen...
Als ich am Vortag durchs
Glarnerland fuhr, kam mir die Idee, ich könnte doch mal meine Drohungen
verwirklichen und den selbsternannten Tram-/Bus-"StarHistoriker" Peter
oben in Sool besuchen. Ein kleiner Ort oberhalb von Schwanden, wo
einfach nichts los ist, aber der Höhe wegen mehr Sonnenstunden
verzeichnet werden als in den belebteren Dörfern im Talkessel. Auf dem Weg durch den "Zigerschlitz"
kaufte im Volg
in Mitlödi noch kleine Birnenweggen und wurde dann freudig von Peter in
seinem "Paradies" in Sool zum Kaffee empfangen. Und dann ging's auf Erkundungstour...
Wer hätte das
gedacht, dass in unmittelbarer Nähe (in der sogenannten Lochsite)
ein Unesco-Welterbe zu finden ist, wo man Überschiebungen von
Gesteinsplatten optisch und haptisch bestaunen kann.
Aber Betreten auf eigene Gefahr, denn es können sich jederzeit
Gesteinsbrocken lösen. Nach Peter's sehr ausführlichen Erklärungen
zum Weltnaturerbe Sardona fuhren wir talaufwärts nach Elm, wo der Verein Sernftalbahn
äusserst aktiv und erfolgreich an der Realisierung eines Museums
arbeitet und die beiden ehemaligen und aufgefrischten Triebwagen von
1949 vor der künftigen Museumshalle in der Sonne trohnten. Im Vergleich
zu anderen Schweizer Vereinen und Interessensgruppen zum öffentlichen
Verkehr kommen die Sernftaler irgendwie besser mit ihrem
Realisierungsprojekt voran: Schon bald sollen auf dem ehemaligen
Bahnhofsareal in Elm mehrere Gleise zu liegen kommen und sogar eine
gewisse Strecke talabwärts führen, damit man die Museumswagen nicht nur
stehend sondern auch rollend zu bewundern dürfen kann. Zudem ist dank
geplanten Fahrzeugabtauschen ein abwechslungsreicher Wagenpark zu
erwarten. Und im Verhältnis zur ehemaligen Streckenlänge von nur knapp
14 Kilometern ein sehr umfangreiches und umfassendes Museum.
Und wieder ein Zmorge im Migros-Restaurant, und wieder der Kaffee dann am Bellevue (weil er dort leider besser schmeckt). In der Zeitung las ich unlängst vom WOW-Museum,
einer interaktiven Ausstellung mit optischen Illusionen. Und da es grad
kaum andere Besucher hatte, folgte ich meiner Neugier und gönnte mir
den Eintritt. Und der Name ist Programm: WOW! Ich war wirklich
beeindruckt ob der visuellen und auch hörbaren Erlebnisse. Zuerst eine
Art Spiegel-Labyrinth, dann eine Kammer mit musikalischen und optischen
Highlights, dann ein Raum der schräg ist, eplus iner der zur Ecke hin
kleiner wird, und so weiter und so fort. Einfach genial! Ich war richtig "geflashed", doch hoffe es
nochmal dorthin zu schaffen.
Am Nachmittag folgte ich einem anderen
Hinweis aus der Zeitung zur Zentralbibliothek Zürich, die unscheinbaren Hof des Zähringerplatzes einen Ausstellungsraum zum Thema Krieg und Friedenbestückt
hatte. Der Raum war sehr düster und ich war meistens ganz
alleine dort. Am meisten interessierten mich die alten Karten, Pläne,
Zeichnungen und Wappen, weil mir diese Dinge den grössten Bezug zum
Thema geben und mir Analogien zur heutigen Schweiz schaffen.
Und dann durfte ich zum letzten Schwerpunkt des
Tages: Steven und ich hatten nochmal einen Termin bei der Aura-Fotografin
Antoinette Bärtsch. Wir wollten sehen, ob sich die Bilder vom Juli und
von heute ähnlich sehen würden oder ganz unterschiedlich ausfallen.
Meines fiel ganz anders aus, während jenes von Steven ähnlicher zum
Bild vom Sommer daherkam. Offenbar darf ich nun mit viel Lebensfreude
und Ausgeglichenheit aufwarten, obwohl sich in meinem Leben innert der
letzten zwei Monate eigentlich kaum was geändert hat. Hmmm. Aber
spannend waren die Erläuterungen von Frau Bärtsch trotzdem.
Und letztmalig der Zmorge im Migros-Restaurant mit nachträglichem Kaffee am Bellevue. Dann besuchte ich die liebe Pina, die vor nicht allzu langer Zeit in der Keks-Manufaktur mit mir zusammen arbeitete.
Und da ich wusste, dass die nun in einer Münzenhandlung am
Werdmühleplatz arbeitete, dachte ich, es könne nicht schaden mal
"Hallo" zu sagen. Prompt gingen wir zu Tee und Kuchen ins gegenüber
liegende Lotti und tauschten uns über die guten alten Zeiten aus... Ich hatte bewusst nur Kuchen gewählt, denn etwas später wollte ich mich Steven noch in den Zeughauskeller
auf ein Wiener Schnitzel pilgern. Und da mein Tag bekanntlich 26
Stunden hat, wollte ich nicht wieder heim, sondern gönnte mir noch
einen Abstecher in die Photobastei
am Sihlquai. Dort war grad eine Ausstellung zu Arbeitswelten Zürichs
vergangener Tage auf schwarz-weiss-Bildern des Baugeschichtlichen
Archivs. Äusserst interessante Fotos aus Zürichs ehemaliger Industrie-Welt,
weshalb ich die aus meiner Sicht beeindruckendsten Exponate
abfotografiert und hier eingestellt habe. Auch die alte
Verbands-Molkerei an der Eisgasse - die Vorgängerin der späteren
Toni-Molkerei - durfte nicht fehlen. Und
die auf den Bildern erkennbaren hölzernen Transportkisten kamen mir
doch
sehr bekannt vor, da ich in meinem Archiv einige solche im Original
horten darf. Der Kreis schliesst sich.
Gestern noch mit der alten
Verbands-Molkerei konfrontiert, heute im Areal der ehemaligen
Toni-Molkerei unterwegs. Zuerst aber ein Ei-Weggli von der Bäckerei Hug
an der Zollstrasse, welches aber niemals an die (leider nicht mehr
erhältlichen) Ei-Weggli vom Frankental herankommen. Nicht mal der Kaffi
war wirklich fein, weshalb ich extra nochmal zum Bellevue fuhr, bevor ich dann das Toni-Areal
aufsuchte. Es waren kaum Leute im Gebäude zugegen (es war schliesslich Samstag) und so schlich ich
mit Erinnerungen an die schönen alten Zeiten im Gepäck durch die vielen langen
Gänge und Katakomben, bis ich mich doch tatsächlich selbst einsperrte:
Plötzlich stand ich in der Ecke, wo früher die Luftschutz- und
Archivräume der Molkerei waren und heute Musikzimmer untergebracht
sind. Die Türen vom Hinweg liessen sich aber zum Rückweg nicht mehr
öffnen. Ups! So musste ich dann einen zufällig vorbei kommenden asiatischen
Studenten auf englisch fragen, wie ich denn hier möglichst elegant
(ohne via Notausgang einen Alarm auszulösen) ins Freie komme.
Netterweise erbarmte er sich meiner und zückte seinen Batch aus der
Hosentasche und begleitete mich zurück ans Tageslicht. Phuh!
Wieder an der frischen Luft machte ich mich auf zur Tramwendeschleife Hardturm, weil dort heute noch das Cargo-Tram
stationiert war und ich ihm so noch schnell einen Kurzbesuch abstatten
konnte. EIn Blick auf die Uhr zeigte mir dann, warum mein Bauch
knurrte: Es war schon anfangs Nachmittag. Also auf zur Confiserie Baumann am Balgrist auf feine Canapés.
Der Tag beginnt einmal mehr im... Belcafé
- wo sonst? Dort kennt man mich und beginnt den Kaffee zu brühen, bevor
ich ihn überhaupt bestellen kann. Es sollte aber nicht die einzige
Destination des Tages werden:Ich brauste mit dem Auto nach Areuse zum Musée de Tram de Neuchâtel. Dort erläuterten mir die netten Leute vom Museum wohlwollend
allerlei Details und einer von ihnen startete gar extra seinen Laptop
und gewährte mir Einblick in seine gedrehten Videos von Rangierfahrten mit der
Arroseuse Xe 2/2 301/601. Zudem kündigte man mir voller Stolz an, dass der Be 2/4 45
(Jahrgang 1902) im kommenden Jahr fertig restauriert und betreibsbereit
sein solle. Äusserlich machte er dank der frischen Bemalung bereits
einen guten Eindruck, doch es gibt auf technischer Seite noch viel zu
tun. Ich
hingegen hoffe mehr, dass meine Arroseuse im Jahr 2022 zu ihrem
111jährigen
Jubiläum geehrt und ausserhalb des Museums erlebt werden darf.
Da das Museum auch heute wieder spärlich besucht war, konnte ich mir
wiederum Fahrzeug um Fahrzeug in aller Ruhe und Intensität anschauen.
Genau wie ich es mag.
Irgendwann kam dann Hunger auf und zum Zvieri gab's wieder die feinen
Galettes und Crêpes in der nicht weit gelegenen Crêperie du Pervou.
Mit diesem harmonischen Sonntag und gingen meine Ferien leider bereits
zu Ende. Doch es war eine ganz tolle Woche mit vielen Eindrücken.